Familienskulptur

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Familienskulptur

Der Begriff „Skulptur“ bei der Familienskulptur bezieht sich auf die Darstellung einer, von einer Familie gestellten, lebenden Gestalt. Sie ist eine symbolische Repräsentation, welche sich die Dimensionen von Raum, Zeit und Energie zunutze macht.

Geschichte

Virginia Satir hat die heute als Skulpturarbeit bekannte Methode ursprünglich erstmals 1951 unter dem Namen sculpting entwickelt und eingesetzt. Sie nutzte die szenische Darstellung ihrer Wahrnehmung der Familie um ihren Eindruck non-verbal zu veranschaulichen. Anklagendes, beschwichtigendes, rationalisierendes und ausweichendes Kommunizieren waren für Satir die häufigsten inkongruenten Kommunikationsformen. Durch die Darstellung dieser kommunikativen Haltungen in Form von Skulpturen, versuchte sie Familien auf diese Inkongruenz (zwischen kommunizierten Inhalten und Emotionen) aufmerksam zu machen. Ihr Anliegen war es, Heilung durch eine kongruente Form von Begegnung stattfinden zu lassen.

Erläuterung

Die Familienskulptur ist eine kreative, dynamische und nonverbale Modalität, welche ebenso auf nicht familiäre Systeme (z.B. Arbeitskollegen,...) anwendbar ist. Es ist eine erlebnisorientierte Methode, da sprachgebundene Abwehrmechanismen wegfallen und die teilnehmenden Personen mit dem unmittelbaren und gefühlbetonten Erleben konfrontiert werden.

Durchführung

Voraussetzung:

- Klima von Vertrauen und Sicherheit

- Präsenz und Offenheit des therapeutischen Begleiters

Grundelemente:

- räumlicher Abstand (als Symbol für emotionale Nähe)

- oben/unten (als Symbol für hierarchische Strukturierung)

- Mimik und Gestik

Prozess beim Einsatz einer Skulptur:

a) Familienmitglieder sind unwissend über ihre eigenen Verhaltensmuster und die Herkunft dieser Muster

b) durch Skulpturen werden diese Muster offensichtlich

c) das Bewustsein nur eines Familienmitgliedes ändert genug, um ihn oder ihr Möglichkeiten für ein befriedigenderes Verhalten sehen zu lassen

Ein ausgewähltes Familienmitglied wird aufgefordert, die Familienmitglieder so im Raum zu positionieren, dass die Beziehungen untereinander deutlich werden. Fehlende Mitglieder werden durch Symbole (z.B. Stuhl, Tisch,...) ersetzt. Das dargestellte Bild ermöglicht Rückschlüsse auf Rollen, Regeln und persönliche Grenzen innerhalb der Familie und macht Unbewusstes sichtbar. Man kann auch ein Wunschbild darstellen lassen, wodurch man verborgene Sehnsüchte und Hoffnungen ans Licht bringen. Sich wiederholende Muster einer problematischen Interaktion innerhalb einer Familie werden durch das mehrmalige Wiederholen von Bewegungsabläufen oder das Entstehen einer Skulptur nachvollziehbar. Der Therapeut kann jederzeit emotionale, motorische, verbale oder andere Impulse der Rollenvertreter abfragen. Neben der ICH-bezogenen Perspektive, kann man dem Klienten durch das Einholen von Feedback der Rollenspieler, verschiedene Betrachtungsebenen des Familiensystems ermöglichen. Er unterstützt dadurch das Konzept multipler Wahrheiten, multipler Wahrnehmungen und multipler Realitäten. Nach der Fertigstellung werden die Familienmitglieder gebeten, auf aufkommende Gefühle zu achten und man spricht über die Eindrücke. Die Auswertung ist abhängig vom Ziel und von den Kriterien, die zur Erstellung der Skulptur vorgegeben waren.

Ziele

- Lösungen werden gemeinsam mit den Klienten anhand ihrer Ressourcen entwickelt

- Bereicherung und Akzeptanz innerhalb der Familie wird gefördert

- durch die dreidimensionale Darstellung der Beziehungen untereinander werden innerpsychische Zustände und emotionale Bindungen in symbolischer Weise neu geschaffen

- Beziehungen, Gefühle und Veränderungen werden hervorgezeigt und erfahren

- Lösungen und Anregungen für therapeutische Interventionen entstehen durch die Fokussierung auf die innerhalb der Skulptur ablaufenden Prozesse

Variationsmöglichkeiten

(1) „Outside-In“ Skulptur

Bei dieser Methode kann der Therapeut der Familie oder dem Klienten sein Bild von der Familienszene darstellen. Indem er mit dem Klienten oder der Familie seinen Eindruck bespricht, können weitere Differenzierungen erreicht, Fehlwahrnehmungen des Therapeuten korrigiert oder Anregungen für die Familienmitglieder gegeben werden. Hierbei kann es sich um Lösungsversuche, Interaktionsabläufe, den Umgang mit Grenzen, mehrgenerationale Themen, externalisierte Probleme oder Gefühle handeln.

(2) „Inside-Out“ Skulptur

Bei dieser Methode stellt der Klient das Bild seiner Erfahrungen innerhalb seiner Familie bezogen auf eine spezielle Situation oder einen spezifischen Zeitraum dar. Der Therapeut bittet die Familienmitglieder, sich gleichzeitig im Raum so zu platzieren wie sie im Moment ihre Beziehung zueinander erleben. Auch familiäre Ereignisse wie zum Beispiel die Geburt eines Kindes, ein Umzug, Trennung oder der Tod eines Familienmitgliedes können mit einer Skulptur (Ereignisskulptur) bearbeitet werden. Es ist entscheidend, die Unterschiede vor und nach dem Eintritt eines spezifischen Ereignisses deutlich zu machen.

(3) Wunschskulptur

Diese Skulptur hat das Ziel den Suchprozess nach Lösungsmustern auszulösen. Indem man die Skulptur vom Ist-Zustand zum gewünschten Zustand hin verändert und dies mehrmals wiederholt, können in einem anschließenden Gespräch die einzelnen Schritte in konkrete Handlungsabläufe übersetzt werden. Danach werden die Klienten gebeten, die neuen Verhaltensweisen in einer vorgestellten Situation umzusetzen. Dadurch werden die Interaktionsmuster konkreter und lebendiger gemacht.

(4) Skulptur zur Musterunterbrechung

Das wesentliche Ziel dieser Methode ist die Unterbrechung automatisch ablaufender Verhaltensweisen. Um dem Klienten ein Gefühl der Willensfreiheit zu vermitteln, wird versucht, das symptomatische Verhalten zumindest in einem kleinen Teilbereich zu verändern. Diese kleinen Änderungen können den Klienten zu weiteren Änderungsversuchen motivieren. Entscheidend ist nicht die Einführung einer logischen oder “richtigen“ Verhaltensweise, sondern mit der Änderung eine möglichst große Signalwirkung zu erzielen.

(5) Parts Party (Konferenz mit der inneren Familie)

Bei dieser Methode wird dem Klienten mit Hilfe von Rollenspielern die Möglichkeit gegeben, in einer partyähnlichen Interaktion die Entwicklungsmöglichkeit seiner verschiedenen Persönlichkeitsanteile zu erfahren und sie zu integrieren. Diverse widersprüchliche Anteile werden als strittige Fraktionen einer „inneren Familie“ symbolisiert. Die Rollenspieler werden vom Therapeuten instruiert, ihre Eigenschaft in übertriebener Weise auszuspielen. Nicht die unterschiedlichen Strebungen (Parts) sind das Problem des Klienten, sondern der gnadenlose symmetrische Kampf der unterschiedlichen Seiten gegeneinander. Ein typischer Lösungsversuch ist die Abspaltung der „Anteile“, Strebungen und regressiven Wünsche, die mit den internalen und externalen Systemregeln nicht kompatibel erscheinen. Als effektives therapeutisches Metaziel erweist sich hierbei regelmäßig die Dissoziation zwischen den verfeindeten Anteilen (internal) und den im Clinch liegenden Parteien des Systems (external) aufzuheben und einen kooperativen Umgang miteinander (friedliche Koexistenz) anzustreben (vom problemstabilisierenden „Entweder-Oder“ zum kooperativen „Sowohl-Als-Auch“).

(6) Familienrekonstruktion

Da uns alte Lernerfahrungen oft daran hindern, etwas auf ganzheitliche Weise zu verstehen, weil sie unsere Aufmerksamkeit auf die Vergangenheit richten und zudem auf den unvollständige Wahrnehmungen gründen, die wir als Kinder hatten, wird diese Methode verwendet, um sich der Bedeutung vergangener Familienerfahrungen bewusst zu werden. Das Ziel ist die Umwandlung der dysfunktionalen Beeinflussung der Gegenwart durch die Vergangenheit. Hierzu werden Skulpturen zu entscheidenden Momenten (z.B. Tod der Großmutter, Geburt eines Kindes,...) im Leben einer Familie anhand psychodramatischer Elemente zu Familienszenen verdichtet. Der Klient hat während der Rekonstruktion die Möglichkeit, die Rollenspieler nach ihrem Erleben zu befragen, was es ihm ermöglicht, unbekannte Perspektiven, die auf die bisherige Interpretation der gemachten Lebenserfahrungen erweiternd wirken können, zu erhalten. Dadurch werden neue Möglichkeiten, neue Verbindungen, neue Interpretationen und neue Einsichten möglich gemacht. Da ein großer Teil unserer kognitiven, emotionalen und motorischen Prozesse automatisiert sind, hilft die Rekonstruktion bedeutender Prozesse, diese ins Bewusstsein zu heben und nachvollziehbar zu machen. Solange intensive Gefühle von Wut, Enttäuschung, Sehnsucht u.ä. den Klienten an die Vergangenheit binden, bleibt es schwierig, die Gegenwart unabhängig von diesen zu gestalten. Durch das Verstehen und Akzeptieren vergangener Erfahrungen in ihren entsprechenden Kontexten wird es möglich, sie loszulassen.


Quellen:

Andolfi, Maurizio: Familientherapie. Das systemische Modell und seine Anwendung

Duhl, Bunny: From the Inside Out and other Metaphors: Creative and Integrative Approaches to Training in Systems Thinking

Müller, Gerd: Thema mit Variationen: Struktur und Prozeß der Skulpturtechnik

Nerin, William: Familienrekonstruktion in Aktion

Satir, Virginia: Selbstwert und Kommunikation

Satir, Virginia und Baldwin, Michele: Familientherapie in Aktion

Satir, Virginia und Banmen, John: Das Satir-Modell: Familientherapie und ihre Erweiterung

Von Schlippe, Arist und Schweitzer, Jochen: Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung