Vier-Ohren-Modell

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[Kommunikationsquadrat, Nachrichtenquadrat oder Vier-Seiten-Modell]

Einleitung

Das 4-Ohren-Modell (auch Kommunikationsquadrat, Nachrichtenquadrat oder Vier-Seiten-Modell) ist das bekannteste Modell des Hamburger Psychologen und Kommunikationswissenschaftlers Friedemann Schulz von Thun. Es ist ein Modell aus der Kommunikationspsychologie und zeigt, welche vier Aspekte sich bei der menschlichen Kommunikation ergeben.

Der Empfänger einer Nachricht kann aus einer Aussage vier Informationen filtern, welche der Sender bewusst oder unbewusst mitsendet: Sachinhalt, Selbstoffenbarung, Beziehung und Appell. Dieser Feststellung folgend hat Schulz von Thun 1981 die vier Seiten einer Nachricht als Quadrat dargestellt. Das Kommunikationsmodell betrachtet beide Seiten der Kommunikation - die Seite des Senders und die Seite des Empfängers. (Der Sender verschlüsselt eine Information und der Empfänger entschlüsselt diese.)

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Betrachtet man die Empfängerseite, ist das "4-Ohren-Modell" gemeint. Beim Sender könnte man vom 4-Münder-Modell sprechen. Weiß man um diese vier Kanäle, auf denen Botschaften ausgesendet werden und um die vier Ohren, mit denen Botschaften empfangen werden, fällt es leichter, Missverständnisse aufzuklären – oder vielleicht von vorne herein zu vermeiden.

Entscheidend für das Niveau der Kommunikation sind beide - Sender und Empfänger, doch eindeutige Kommunikation ist eher ein Wunschbild als die Norm.

Die vier Seiten einer Nachricht

  • Der auf die Sache bezogener Aspekt: der Sachinhalt ( „Worüber ich informiere“).
  • Der auf den Sprecher bezogener Aspekt: was über den Sprecher deutlich wird („Selbstoffenbarung“, „Was ich von mir zu erkennen gebe“).
  • Der auf die Beziehung bezogener Aspekt: was über die Beziehung offenbar wird („Beziehung“, „Was ich von dir halte und wie ich zu dir stehe“).
  • Der auf die beabsichtigte Wirkung bezogener Aspekt: dasjenige, zu dem der Empfänger veranlasst werden soll („Appell“, „Wozu ich dich veranlassen möchte“).

Die Nachricht kann so zur Beurteilung der Kommunikation eingesetzt werden. Wenn Sender und Empfänger die vier Ebenen verschieden auslegen und priorisieren, entwickeln sich Unstimmigkeiten und Kontroversen. Das führt zu Fehlschlüssen und in der Folge zum Streit.


Beispiel:

Der Mann fragt beim Mittagessen: „Was ist denn das Grüne hier in der Soße?“

Die vier Seiten der gesendeten Nachricht:

Sachebene: Da ist was Grünes.
Selbstoffenbarung: Ich weiß nicht, was es ist.
Beziehung: Du wirst es wissen.
Appell: Sag mir, was es ist!

Die vier Seiten der empfangenen Nachricht:

Sachebene: Da ist was Grünes.
Selbstoffenbarung: Mir schmeckt das nicht.
Beziehung: Du bist eine miese Köchin!
Appell: Lass das nächste Man das Grüne weg!

Die Frau: „Mein Gott, wenn es dir hier nicht schmeckt, kannst du ja woanders essen gehen!“ [1]

Details zu den einzelnen Ebenen

Allgemeines

Offensichtlich ist: die Klarheit der Kommunikation ist vierdimensional. Mit einer einzigen Nachricht kann man viele Botschaften erhalten, die mitschwingen. Die vier Seiten des Quadrates sind sowohl gleich lang, wie auch gleichwertig - doch in einzelnen Situationen treten die vier Blickwinkel verschieden bedeutsam auf. In kritischen Situationen Botschaften besser direkt hinterfragen, um vierseitige Klarheit zu bekommen. Da der Empfänger die Botschaft dekodiert, ist sie zu einem großen Teil sein Werk. Mögliche Störquellen dabei sind: sein Selbstbild, das Bild, das er vom Sender hat sowie ergänzende Vermutungen und Annahmen ohne Rückfragen. Weichen für die gelungene Kommunikation sind:

- klare Wahrnehmung, Interpretationen auf Realität prüfen durch hinterfragen
- Dialoge sollten auf der Ebene ausgetragen werden, auf die sie gehören.
- Explizite Nachrichten senden (implizite können interpretiert werden).

Sachebene

Ziel: Sachlichkeit und Verständlichkeit


Sachlichkeit bedeutet Austausch von Informationen und Argumenten frei von Gefühlen und Manipulationen, ohne Begleitbotschaften, um die eigene Ansicht mit Respekt vor dem Meinungsgegner zu vertreten. "Ganz bei der Sache sein" heißt: die innere Energie steht dem Thema zur Verfügung. Zur Verbesserung der zwischenmenschlichen Kommunikation sollten das "innere" Thema und das offiziell besprochenen Thema deckungsgleich sein.

Die Verständlichkeit steigt durch Übersichtlichkeit, Kürze und zusätzliche Anreize wie sprachliche Bilder, Analogien, Beispiele und Anekdoten. So wird das Gesagte lebendiger.

Im Vordergrund steht die Sachinformation, dabei geht es um Daten, Fakten und Tatbestände. Für den Sender besteht die Herausforderung darin, die Sachverhalte klar und verständlich auszudrücken. Der Empfänger kann dabei drei Kriterien filtern und entsprechend auf dem "Sachohr" reagieren:

- wahr oder unwahr (zutreffend/nicht zutreffend)
- relevant oder irrelevant (sind die aufgeführten Sachverhalte für das besprochene Thema relevant oder nicht)
- genügend oder ungenügend (sind die angeführten Anhaltspunkte für das Thema ausreichend oder muss noch anderes betachtet werden?)

Selbstoffenbarung

Ziel: Authentizität, Kongruenz, sich selbst in seinen Aussagen Vertreten, keine Interpretation


Die Aussage "sei Du selbst" kann der Sender nur dann umsetzen, wenn er zuerst sich selbst offenbart. Er ist anderen gegenüber in einer Art Prüfungssituation; diese Angst basiert auf der Vermutung einer negativen Einschätzung ("wie sehen mich die anderen?"), gelernt in der Kindheit wenn kindliche Unvollkommenheit mit den Standards der Umwelt zusammentrifft.

Kompensiert wird dies unter anderem durch Selbstdarstellungstechniken wie Imponiertechniken (die Angst gar nicht erst aufkommen lassen) beispielsweise mit schwer verständlicher Sprache, um Prestige oder Kompetenz zu hervorzuheben. Oder Fassadentechniken: etwa durch (implizite) Du-es- man-Botschaften, um nur nicht das "Kind" beim Namen zu nennen oder per Interviewtechnik, um den Anderen zur Selbstoffenbarung herauszufordern, schließlich auch Selbstverkleinerung "fishing for compliments" um sich evtl. vor der Übernahme von Aufgaben zu schützen.

Wichtig und helfend für die Kommunikation ist, sich bewusst zu werden, was im inneren Selbst passiert, eine Übereinstimmung von innen und außen zu erzielen (Kongruenz) und dies dann mitzuteilen. Diese Offenheit kommt beim Empfänger an, er kann Wertschätzung entgegenbringen und der Sender fühlt sich akzeptiert.

Beziehungsebene

Ziel: explizite Beziehungsaussage ohne Sachinhalt, Ich-Botschaften, Blick in die Zukunft richten


Im Beziehungsgeschehen gibt es zwei Aspekte: Du-Botschaft (Wie spricht mein Gegenüber mit mir: Formulierung, Tonfall, Mimik, Gestik) und Wir-Botschaft (Wie stehen wir zueinander?). Der Sender transportiert diese Hinweise implizit oder explizit. Erfahre ich Akzeptanz oder Herabsetzung, Respekt oder Bevormundung? Akzeptiere ich das? Verschiedene Kommunikationspartner können dabei unterschiedliche Charakterzüge aus einem "herauskitzeln". Durch die Fülle der Beziehungsbotschaften im Leben eines Menschen entsteht sein Selbstbild.

Wenn Sender und Empfänger miteinander reden, sind sie auch immer dabei, ihre Beziehung auszuhandeln. Wird die Verhaltensweise des Senders vom Empfänger als stimmig erlebt: Zustimmung. Weder Zustimmung noch Ablehnung: durchgehen lassen und bei Nichtstimmigkeit: Ablehnung. Wird jegliche Reaktion vom Empfänger verweigert: Ignoranz ("Höchststrafe").

Wahrnehmung ist ein Resultat aus dem, was ist und der Interpretation darauf. Beziehungsstörungen können entstehen, wenn der Kommunikationspartner von Dritten ganz anders wahrgenommen wird, als von sich selbst. Die Fähigkeit mit Beziehungsstörungen umzugehen, ist vielen Menschen nicht gegeben. Ein typischer Fehler ist es Beziehungsstörungen auf die Sachebene zu bringen. Dies bedroht die Sachlichkeit. Beide Ebenen drohen zu verstricken, eine ausschließliche Beziehungsklärung ist nötig (was macht die Gespräche einseitig, gereizt, distanziert?) mit dem Ziel wie oben genannt.

Appellebene

Ziel: Einfluss nehmen, Wirkung erzielen, einen Zustand generieren, der noch nicht ist oder einen umgehen, der vorzufallen droht.

Auf der Appellseite gibt es zwei Aspekte: einen ausdrucksorientierten Sender, der grundsätzlich aussagt, was ist und nicht darauf aus ist, eine Wirkung zu erzielen und einen wirkungsorientierten Sender, der versucht seine Botschaft so zu entwerfen, dass sie für sein Ziel optimal erscheint. Dadurch wird jedoch der authentische Ausdruck vernachlässigt, der Sender entfremdet sich von sich selbst. Kompromiss: sagen, was ist ohne den Anderen zu verletzen - sein Anliegen schlüssig vortragen.

Der Appell-Einfluss des Senders auf den Empfänger ist begrenzt z. B. durch die Beziehung der beiden zueinander. Mit jedem Appell begibt sich der Sender in das Revier der Freiheit und Eigeninitiative des anderen. Der Empfänger ist bestrebt, sein Revier zu verteidigen. Weiterhin sind Appelle gegen Ängste unwirksam. Auch können Appelle eigeninitiatives und spontanes Verhalten verhindern. Desweitern sind Appelle, die im Widerspruch zu Überzeugungen des Empfängers stehen, schwer zu einzuhalten. Es folgen evtl. aushalten, Änderung der Überzeugung oder Widerstand.

Appelle können direkt (offen) oder indirekt (verdeckt) erfolgen. Indirekte Appelle können den Empfänger in ein emotionale Stimmung versetzen, die ihn bereit macht, von sich aus wunschgemäß zu reagieren. Mittel können u.a. sein: Weinen, Selbstmordversuche, Angstzustände, sauer sein, Aggressivität. Vorteil indirekter Appelle ist, dass sie erfolgreicher sein können, da sie subtiler sind und der Sender evtl. nicht die Verantwortung dafür übernehmen muss und abstreiten kann. Welche Möglichkeiten hat der Empfänger, dieses Spiel zu durchkreuzen: in sich hinein hören, welche Gefühle löst das aus? Welches verborgene Ziel hat der Empfänger, das Spiel doch mitzuspielen? Und in der Konsequenz: welche Alternative findet er. Beispielsweise kann er den gehörten Appell direkt machen und zurückfragen, ob der Sender diesen Wunsch äußern wollte (den Wind aus den Segeln nehmen).

Direkte Appelle werden z.B. vermieden bei Selbstoffenbarungsangst, Angst vor Ablehnung, Vermeidung von Verantwortung. Direkte Appelle begünstigen eine gesunde Kommunikation. Erforderlich für einen direkten Appell sind: mit sich selbst klar sein, transparente Information an den Empfänger, damit dieser seine Entscheidung dazu treffen kann und zurücksendet. Mögliche Reaktion des Empfängers: ja oder nein. Auch ein klares Nein an den Sender sollte von ihm wertgeschätzt werden, denn nur die Inhalte werden abgelehnt, nicht aber der Kommunikationsprozess.

Anwendung/Einsatz

Das Modell eignet sich zur Analyse konkreter Mitteilungen und zur Aufdeckung einer Vielzahl von Kommunikationsstörungen. Es kann als Bindeglied für eine harmonische Gesprächsführung, zur Vor- und Nachbereitung von Gesprächen genutzt werden, Beispiele:

- Privat in Beziehungen und Familien
- Im Berufsalltag: Konflikte vermeiden, Gesprächssituationen analysieren, eigenes Gesprächsverhalten steuern, Kundengespräche, Verhandlungen.
- Psychoanalyse

Bedeutung im NLP

NLP befasst sich im weitesten Sinne mit menschlicher Kommunikation und speziell lösungsorientiert für die Arbeit mit Menschen in Veränderungssituationen. Das Vier-Ohren-Modell ergänzt die Vielzahl der im NLP auf stetige Weiterentwicklung angelegte Methodensammlung, speziell die Kommunikation in zwischenmenschlichen Beziehungen.

Siehe auch

Verwandte Begriffe

Kommunikation; Kongruenz; Unterschied; Verzerrung

Literatur

  • Walter Simon: GABALs großer Methodenkoffer: Grundlagen der Kommunikation, ISBN: 978-3897494343
  • Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden 1, Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation, ISBN:978-3499174896

Weblinks

Einzelnachweis

[1] Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander reden 1: Störungen und Klärungen. Reinbek bei Hamburg 1981, S. 62 f.