Vorlage:Geschichte 14

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Die Metamorphose von der Raupe zum Schmetterling

>>Eines Tages, als mein Sohn Joshua ungefähr sechs oder sieben Jahre alt war, kam er hysterisch schluchzend von der Schule nach Hause. Einer seiner Freunde war vom Klettergerüst auf dem Pausenhof gefallen und hatte dabei tödliche Verletzungen erlitten. Ich setze mich mit ihm hin und sagte: „Schatz, ich weiß, wie dir zumute ist, du vermisst ihn, und es ist richtig, so zu empfinden. (Pacing / Rapport durch Bestätigung) Und du solltest dir auch klarmachen, dass du deshalb so fühlst, weil du eine Raupe bist.“ Er erwiderte: „Was?“ Ich hatte ihn ganz schön aus dem Konzept gebracht (Seperator / Unterbrecher). Ich sagte: „Du denkst wie eine Raupe.“ Er wollte wissen, was ich damit meinte. „Es gibt einen Punkt“, erklärte ich, „an dem die meisten Raupen denken, sie wären tot. Sie glauben, ihr Leben sei beendet. Wann ist das?“ (Klärung der individuellen Gültigkeit der Metapher) Er erwiderte: „O ja, wenn sich dieses Ding um sie rumwickelt.“ „Richtig. Schon nach kurzer Zeit spinnt sich die Raupe in ihren Kokon ein, so dass sie ganz darunter begraben ist. Und weißt du was? Wenn du den Kokon öffnen würdest, wäre die Raupe nicht mehr da, nur noch ein weicher Brei, eine klebrige Masse. Und die meisten Leute wären, wie auch die Raupe selbst, der Überzeugung, dass sie nicht die geringste Überlebenschance hat. Aber in Wirklichkeit macht sie eine Metamorphose durch. Verstehst du? Sie verwandelt sich in etwas anderes. Und in was?“ (Lässt ihn selbst die Metapher ergründen) „Einen Schmetterling“, sagte er.

„Können die anderen Raupen auf dem Boden sehen, dass ihr Artgenosse zu einem Schmetterling geworden ist?“ wollte ich von ihm wissen (Leading: Frage zur Lenkung der Aufmerksamkeit in Richtung Reframing). „Nein“, antwortete Josh. Ich fuhr fort: „Und was macht eine Raupe, die ihren Kokon durchbricht?“ Joshua antwortete: „Sie fliegt.“ „Genau. Sie verlässt den Kokon als Schmetterling; die Sonne trocknet seine Flügel und er fliegt davon. Er ist noch schöner als zu der Zeit, da er noch eine Raupe war. Ist er nun freier oder weniger frei?“ (Leading: Stellt die Verständnisfähigkeit der Metapher sicher) Josh sagte: „Freier.“ „Und glaubst du, dass er nun mehr Spaß hat?“ „Ja, er hat weniger Beine, die müde werden.“ Und ich sagte: „Stimmt genau. Er braucht keine Beine mehr; er besitzt Flügel. Ich glaube, dass auch dein Freund nun Flügel hat.

Weißt du, es ist nicht an uns zu entscheiden, wann sich jemand in einen Schmetterling verwandelt. Wir meinen, dass es sich immer um den falschen Zeitpunkt handelt; aber ich glaube, dass Gott besser weiß als wir, wann unsere Zeit gekommen ist. Jetzt haben wir Winter, und du wünschst dir den Sommer herbei; aber Gott hat für die Jahreszeiten einen anderen Plan. Manchmal müssen wir einfach darauf vertrauen, dass Gott besser weiß als wir, wann Schmetterlinge entstehen sollen. Und wenn wir Raupen sind, erkennen wir manchmal nicht einmal, dass es Schmetterlinge gibt, weil sie hoch über uns schweben. Aber vielleicht sollten wir uns von Zeit zu Zeit daran erinnern, dass sie existieren.“ Joshua lächelte, umarmte mich und sagte: „Ich wette, er ist ein wunderschöner Schmetterling.“<<

Aus Anthony Robbins: Das Robbins Power-Prinzip (S. 263 - 264), Heyne Verlag